Auftaktveranstaltung "Let's talk about death, baby!" anlässlich des Jubiläums der Ambulanten Palliativversorgung NETZWERK HOSPIZ Südostbayern
Palliative Care ist Lebensbegleitung
Auftakt zum Jubiläumsjahr des Netzwerk Hospiz – Information und Diskussion
Traunstein. Über eine gelungene Auftaktveranstaltung zum Doppeljubiläum des Netzwerkes Hospiz Südostbayern dürfen sich die Verantwortlichen rund um den Vorsitzenden Stephan Bierschneider freuen. Der kleine Saal im Vereinshaus Traunstein war bis auf den letzten Platz gefüllt und die beiden Fachreferenten fesselten mit ihrem Thema „LET’S TALK ABOUT DEATH, BABY!“ die Zuhörer. Als Kernbotschaft vermittelten sie, dass sich die Palliative Versorgung in erster Linie als Lebensbegleitung und weniger als Sterbebegleitung betrachtet. Abgerundet wurde der tiefgründige und mit einer Prise Humor gewürzte Vortrag mit einer Fragerunde, in der mehrere Gäste das Wort ergriffen.
„Ich denke, dass es voll im Sinne des im vergangenen Jahr verstorbenen Ehrenvorsitzenden Alois Glück ist, unser diesjähriges Doppeljubiläum öffentlich und nicht im stillen Kämmerlein zu feiern“, betonte der Vorsitzende Stephan Bierschneider während seiner Begrüßung. Gleichzeitig informierte er darüber, dass vor 20 Jahren die Brückenschwestern aus der Taufe gehoben wurden und vor zehn Jahren die NETZWERK HOSPIZ Südostbayern gGmbH gegründet wurde.
Thematisch wurden die Gäste mit einer digitalen Bilderkollage der „Aktion Hände“ und Lied „Hödn“ von Seiler & Speer eigestimmt. Auf den Bildern waren zahlreiche Hände von Menschen zu sehen, die von den Mitarbeitern des Netzwerkes Hospiz im vergangenen Jahr besucht wurden. Die Präsentation bildete ein Brückenschlag zum Abschluss der Veranstaltung, als die Vortragenden einen Vergleich herstellten, dass Sterbende in gewisser Weise auch Helden sind.
Traunstein – die Stadt die niemals schläft
Anschließend betraten die beiden Hauptredner des Abends die Bühne. Ganz im Zeichen des Jahresmottos „Übers Sterben zu reden hat noch niemanden umgebracht!“ eröffneten Rainer Simader, Leiter Bildungswesen beim Dachverband Hospiz Österreich, und Markus Starklauf, Theologe und Leiter der Hospizakademie Bamberg, die Veranstaltungsreihe des Netzwerkes Hospiz Südostbayern.
Mit ihrer Bemerkung „so sieht also das Nachtleben in Traunstein aus - die Stadt, die niemals schläft“ begrüßten die beiden Redner ihr Publikum und sorgten damit gleich zum Auftakt für einen Lacher. Gleichzeitig gaben sie zu, dass das Motto des Vortrags nur ein Marketingtrick gewesen sei und sich der Titel von dem Lied „Let's Talk About Sex, Baby“ ableitet. „Wer sich also verlesen hat und wegen dieses Themas gekommen ist, der ist leider falsch“, schmunzelte Rainer Simader.
Palliativ Care ist in der Bevölkerung noch wenig bekannt
Dennoch griff er zum Auftakt die Frage auf, welche Gemeinsamkeiten die Themen Tod und Sterben sowie Sex haben. Seiner Einschätzung nach sind dies beides gesellschaftliche Tabuthemen, bei denen vielen Menschen die Worte fehlen es aber zu Begegnungen komme und mit einem hohen Maß an Intimität einhergehe. Markus Starklauf nahm hingegen den Begriff Hospiz etwas genauer unter die Lupe und betonte, „dass sich der Wortstamm von Gastfreundschaft oder auch Herberge ableite und auch ein großer Anteil an „Care“, also die Sorge um Jemanden beziehungsweise dessen Begleitung beteiligt sei.
In Deutschland und Österreich haben viel zu wenige Menschen eine Idee davon, was Palliative Care ist. „Wenn sie Zahnweh haben, dann ist klar sie müssen zum Zahnarzt“, so Rainer Simader und ergänzt, „aber wenn das Lebensende naht, dann sind viele Menschen und deren Angehörige oft ratlos“. Sehr deutlich hob er dies mit seiner Aussage „Palliative Care ist Lebensbegleitung und nicht vordergründig Sterbebegleitung“. Studien belegen seiner Aussage nach eindeutig, dass mit einer guten palliativen Versorgung sowohl die Lebensqualität als auch die Lebenszeit steige.
Was ist den Menschen heilig?
Eine weitere zentrale Frage beschäftigte sich mit den Leid. Anhand zahlreicher Beispiele führten beide Redner dabei die vier Dimensionen von Leid aus und betrachteten dabei sowohl physische wie auch psychische Faktoren, griffen dabei aber auch die Bereiche Spiritualität und die soziale Dimension von Leid auf. „Zu wenig Wissen macht Angst“ so die Aussage von Markus Starklauf und ermutigte dazu „wir brauchen einfach den Mut darüber zu reden“.
„Was willst du das ich dir tun soll“ ist nach Meinung des Palliativexperten ein Leitgedanke für die Begleitung von Menschen und zentrale Elemente bilden dabei häufig „Dinge, die den Menschen heilig sind“. Dies können sowohl die Familie oder das soziale Umfeld sein, es kann aber auch die Begeisterung für eine Fußballmannschaft oder bei jüngeren Menschen das Handy sein, das die Kommunikation mit guten Freunden ermöglicht.
„Sterben ist nichts für Anfänger!“
Weiter befassten sich die Redner mit dem Themenschwerpunkt „Umgang mit schwerkranken Menschen“. Dabei stellten sie fest, dass es hier kein „Patentrezept“ gebe und vielmehr die Individualität und die Wünsche der Personen im Vordergrund stehen. „Sterben ist nichts für Anfänger!“, war eine Aussage zum Schmunzeln, die allerdings auch den nötigen Tiefgang nach sich zog. „Einerseits ist klar, dass Alle irgendwann sterben werden, aber andererseits hat diesen Prozess noch niemand zuvor selbst miterlebt“, so der Versuch einer Einordnung.
Zum Abschluss befassten sich die Beiden noch mit Wünschen für die Zukunft. Ausgehend von der Tatsache, dass in den kommenden Jahren durch die geburtenstarken Jahre der Babyboomer deutlich mehr Menschen sterben werden, entsteht eine professionelle Versorgungslücke in der Begleitung. Deshalb wünschen sich die beiden Experten eine solidarische und sorgende Gesellschaft. Es braucht also wieder Orte, wo man bis zuletzt sein Leben in einer Gemeinschaft leben kann.
Reger Austausch am Ende der Veranstaltung
Einige Gäste nutzten anschließend die Möglichkeit, um Fragen zu stellen. Wie man mit Menschen umgeht, die augenscheinlich nicht mehr auf Worte reagieren antworteten die beiden Experten, „hier bedarf es eine besondere Achtsamkeit und oft helfen auch Gesten, Worte oder auch körperliche Nähe weiter“. Angehörige dienen hier als wertvolle Informationsquellen, um die Vorlieben der Menschen zu erfragen.
Welche Bedeutung der Glaube und die Religion in der heutigen Zeit habe wollte ein weiterer Zuhörer wissen. „Es fehlt zwar heute ein tragender Gemeinschaftsgedanke und feste Rituale wie beispielsweise, dass die Nachbarn ins Haus kommen, um sich von Verstorbenen zu verabschieden. Dennoch ist Glaube und Religion für viele Menschen auch heute noch wichtig“, informierte der Theologe Markus Starklauf.
Eine weitere Frage befasste sich mit Menschen, die an einer demenziellen Veränderung leiden und mit denen eine normale Kommunikation nicht mehr möglich ist. Die Experten empfahlen hier, sich mit dem Kommunikationsmodell der Validation auseinander zu setzen. Die deutschamerikanische Gerontologin Naomi Feil war hierzu die Wegbereiterin für die diese spezielle Kommunikations- und Haltungsmethode speziell für Menschen mit demenzieller Veränderung. Sie hat dazu auch ein Buch veröffentlicht. „Wie reagiere ich, wenn ich mit der Aussage ich werde sterben konfrontiert werde?“ wollte eine weitere Zuhörerin wissen. An dieser Stelle haben die Experten dazu geraten, dass man Aussagen spiegeln und die Kommunikation nach den Regeln des aktiven Zuhörens gestalten soll. „Wichtig ist, dass man nicht vertröstet und so gut wie möglich in die Welt des anderen eintaucht“, betonte Markus Starklauf.
Zwei Benefiz Konzertabende im März
Als „richtigen Griff“ bezeichnete Stephan Bierschneider die beiden Referenten für die Auftaktveranstaltung des Jubiläumsjahres und nutzte seine Abschlussworte dazu, um Werbung für die bevorstehenden Veranstaltungen zu machen. Am 7. März findet im Alpenkongress Berchtesgaden um 20 Uhr ein Benefizkonzert des symphonischen Blasorchesters „Chiem- und Rupertigau“ statt. Am 8. März ist ein weiteres Konzert des Blasorchesters um 20 Uhr Salzachhalle Laufen geplant. „Der Reinerlös kommt vollständig dem Netzwerk Hospiz zugute“, betonte der Vorsitzende zum Abschluss. Hob
Text und Bilder: Hubert Hobmaier